11 Juli 2012

Ein Tag in meinem Leben


Ausnahmsweise mal einfach ein bisschen Geplauder aus meinem Privatleben. Ein Dienstag, der wie ein Montag war - mehr Tage wie diesen brauche ich nicht.

Um 6 Uhr am Morgen klingelte das Telefon – aber ich war ja eh wach und ging dran. Ein männliches Wesen redete ein wenig konfus daher (soweit nicht ungewöhnlich) – er müsste ins Krankenhaus, um 9 Uhr wollte er los fahren, er habe einen Zwerghamster und für den suchte er jetzt eine Pflegestelle für etwa zwei Wochen. Keiner wollte ihn haben, er hat schon überall gefragt, auch das Tierheim hat es abgelehnt den Hamster zu nehmen. Ich erfuhr wie der Hamster lebt (kleines Terrarium) und das der Halter kein Auto hat um ihn her zu bringen. Ich habe eigentlich keinen Platz für einen Hamster und ich ertrag den Anblick von Tieren in Winzigkäfigen nicht. Trotzdem wollte ich ja helfen, bot an, einen großen Holzkäfig zu kaufen und tiergerecht einzurichten und den Hamster für zwei Wochen zu nehmen und das alles für 50 Euro. Nach dem Krankenhaus könnte er das große Gehege, Einrichtung etc. mit nehmen. Der Halter war einverstanden. Soweit erschien mir das alles fast normal, ich bestellte das Gehege (das allein schon 50 Euro kostet), durchsuchte meinen Dachboden um mein letztes Hamsterzubehör zusammen zu kramen und schickte meinen Mann los um den Hamster zu holen.

Aber daraus wurde nichts, der Tierhalter machte die Tür nicht auf und ging auch nicht mehr ans Telefon. Ich hatte daraufhin richtig Angst um das Tier, da der Halter auch mit Aussetzen gedroht hatte.

In der Zwischenzeit untersuchte ich Fienchen und musste einsehen, dass sie gehen wollte. Am Vortag hatte sie sich aus heiterem Himmel hingelegt und konnte nicht mehr aufstehen. Das war so unfair, ihre Wunde war fast zu, das andere Auge war ok und kaum das ich sie als geheilt entlassen wollte, gibt sie sich auf. Natürlich, wie sollte es anders sein, mein Tierarzt ist im Urlaub, die Tierärztin hat erst am Nachmittag Sprechstunde.

Dann lies mir der Hamster keine Ruhe und ich rief mehrfach bei dem Halter an und siehe da, irgendwann kriegte ich ihn ans Telefon und bei dem Gespräch wurde mir schnell klar was los war: Der Mann stand total unter Drogen, redete nur noch wirres Zeug, hatte kein Zeitgefühl. Er wollte den Hamster vorbei bringen – es war auch keine Rede mehr von zwei Wochen Krankenhaus, sondern er wollte ihn mir schenken, da er ja nach dem Krankenhaus eh umzieht und den Hamster dann nicht mitnehmen konnte. Ach so – ja klar.

Er brachte den Hamster aber nicht vorbei, ich hatte nach dem Gespräch auch nichts dergleichen mehr erwartet. Also rief ich wieder zig mal an, ertrug jedes Mal die Tatsache, dass ich während das Telefon klingelte laut und grausam die „Toten Hosen“ ertragen musste, die mir ins Ohr brüllten „an Tagen wie dieeeeesen“ - ok, das passte sicher gut, war aber eine echte Zumutung... und kriegte ihn irgendwann auch wieder ans Telefon. Da er nur ein paar Straßen weiter wohnte und wir ohnehin auf dem Weg zum Tierarzt durch diese Straße fahren würden, sagte ich ihm, dass ich den Hamster abholen werde und er war einverstanden. Übrigens ging jedes Telefonat damit los, dass ich ihm erklären musste, wer ich bin und was ich von ihm will, er wusste schon eine Stunde später nicht mehr, dass ich existiere.

Zwischendurch: Telefonieren und Halter mit Sorgen beruhigen, Fragen von Hamsterhaltern beantworten, recherchieren was Ysop genau ist und welche Giftstoffe enthalten sein könnten, Paul beschäftigen, der mich die ganze Zeit erwartungsvoll anblickt, Wohnung in Ordnung bringen, Schweinchen füttern, noch mehr Telefonieren, noch mehr Mails beantworten – ruhig bleiben, ganz ruhig bleiben, du weißt doch, dass die Halter deine HP nicht lesen, sind doch zu viele Buchstaben, also nochmal erklären, Links geben, das Beste hoffen...

Dann kam meine Freundin Ronja vorbei. Eigentlich hätten wir heute in Ruhe Kaffeetrinken und klönen wollen – aber daraus wurde ja nichts. Jedes Mal in letzter Zeit wenn wir uns das vorgenommen hatten, mussten wir statt dessen zum Tierarzt und häufiger kamen wir ohne lebendes Tier wieder. Ich bin so froh, eine solche Freundin zu haben, eine die das alles einfach mitmacht und für mich da ist, obwohl sie hochschwanger ist. Hier nannten sich schon viele Leute meine „Freunde“, aber für die meisten bedeutete das: Sie erzählten mir täglich ihre Probleme und Sorgen, wollten mir ihre Lebensweise aufdrücken, wollten mir vorschreiben wen und was ich zu mögen habe, sagten mir ständig wie unperfekt und naiv ich bin, trotzdem solle ich jederzeit alles über jedes Wehwehchen ihrer Tiere wissen und immer erreichbar sein und wenn ich mal von mir erzählen wollte, hatten sie keine Zeit mehr, wirkten desinteressiert und Hilfe war von denen nicht zu erwarten und wenn doch, dann hatte man immer das Gefühl, sie bezahlen zu müssen. Ronja hingegen ist für mich da, hört zu, hilft und erwartet nichts dafür, ich habe immer schon ein total schlechtes Gewissen, weil ich sie so oft um Hilfe bitte und so wenig für sie tun kann. Es war so gut, sie dabei zu haben, denn das was so folgte war so, wie der Tag anfing: Ätzend.

Wir fuhren mit einigen Schwierigkeiten los, denn unsere Nachbarn hatten hier den Vorplatz wild zugeparkt und Ronjas Auto verlor dabei ein Stück Zierleiste (das ich auch nicht wieder fand - grummel) und erreichten das Haus, in dem der Hamster sich befand. Eine Gegend, durch die man schnell durch fährt und deren Häuser man lieber nicht betritt. Das Haus ist als Wohnort für Süchtige bekannt und mir wurde ganz mulmig als ich es betrat (auf die Klingel unten reagierte der Halter nicht, die Tür war aber eh kaputt) – Ronja durfte nicht mit, ich wollte sie nicht gefährden. Oben angekommen wies mir ein arg angetrunkener Mann den Weg (sonst hätte ich die Wohnung nie gefunden). Da stand ich nun und klopfte, erst zaghaft, dann lauter, dann sehr laut, aus der Wohnung drangen die typischen Geräusche eines laufenden Fernsehers - Schritte, ich wusste in dem Augenblick nicht, ob ich mich freuen oder fürchten sollte. Ein Mann mittleren Alters mit roten Augen und total zugedröhnt öffnete die Tür und was dahinter war, ist unbeschreiblich, ich versuche es erst gar nicht, stellt es euch einfach vor. Der Hamster saß in einem kleinen Glaskasten in dreckiger Einstreu, aber er hatte zumindest ein kleines Holzhaus und ein Minilaufrad und ein wenig Einrichtung. Der Halter kam sehr nah und das fand ich wenig prickelnd, ich packte den Hamster und das Häuschen in meinen Transporter und wollte nur noch weg, aber der Mensch stand zwischen mir und der Tür und redete irgendwas, ich verstand ihn nur nicht. Er verstand mich auch nicht, ging aber dann bereitwillig zur Seite. So fluchtartig habe ich schon lange kein Haus mehr verlassen.

Dann kamen wir bei einer sehr vollen Tierarztpraxis an, standen ewig im Behandlungsraum, bis Fienchen uns ganz verließ verging noch einmal über eine Stunde und ich muss keinem Tierhalter sagen, wie wir uns dabei fühlten, das miese Gefühl versuchten wir dann mit viel schwarzem Humor zu überspielen. In der Zwischenzeit war mir noch aufgefallen, dass ich vor lauter Stress meine Tasche vergessen hatte – ergo hatte ich kein Geld dabei, keine Schlüssel und wir konnten hinterher nicht zu mir fahren – nix mehr mit Kaffee trinken nach dem Tierarzt. Ronja gewährte mir bei sich Asyl – nachdem wir frustriert an einem Erdbeerstand vorbei fuhren und keine kaufen konnten, weil keiner von uns Geld dabei hatte.

Mein Mann machte dann früher Feierabend und holte mich ab, wir fuhren zum Fressnapf und kauften erst einmal Hamsterfutter und div Kleinkram für den Hamster – ich hatte nämlich am Vortag einen Teil meines Hamsterzubehörs verschenkt – wie sollte es auch anders sein. Dann wurde der kleine Kerl in der Badewanne einquartiert – wir baden ja eh nicht und einen Käfig hatte ich ja noch nicht (nein wir sind keine Dreckspatzen, wir duschen in der separaten Dusche – man was ihr immer denkt... tztztzt).


Der Tag hatte dann aber doch ein Happy End, denn der junge Mann, der von mir die Hamstersachen bekam, hat sein Hamstergehege fast fertig und er möchte genau so einen Hamster aufnehmen. Schon am Abend kam er vorbei um seinen neuen Hamster zu sehen und schon am Freitag zieht der kleine Kerl in sein neues Zuhause. Obwohl ich diesen süßen Hamsterschatz nur schwer wieder ziehen lassen kann... verständlich oder?



So lagen also Gestern Freud und Leid wieder nah beieinander. Eine liebes Schweinchen musste gehen und ein kleiner Hamster bekommt ein neues Zuhause (und sein Exbesitzer geht ja nun vielleicht in Therapie und wer weiß, vielleicht schafft er es ja - ich muss übrigens anmerken, dass ich es bewundernswert fand, dass er trotz seiner offensichtlichen Probleme mit der Realität so viel Interesse für seinen Hamster aufbrachte, es war ihm wichtig, dass es dem Tier gut geht - auch wenn die Haltung eher mau war und das Tier unterernährt ist... er hing an dem Tier und die Holzeinrichtung zeigte schon, dass er ein besserer Halter sein wollte).

3 Kommentare:

  1. Du bist so ein bewundernswerter Mensch! Ich ziehe echt immer wieder meinen imaginären Hut davor was du so leistest. Kümmerst dich den ganzen Tag um Analphabeten, kranke Tiere und weiß der Himmel was noch alles. Ein Seelchen musstest du gehen lassen (tut mir unglaublich leid!!!! :(( ) und hast im gleichen Atemzug ein anderes gerettet.

    Von dir können sich einige mal ne Scheibe abschneiden!
    Aber vergiss dich über dem ganzen nicht! ;)

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  2. Hey du,

    Das mit Fienchen tut mir total leid :( Ich hatte sehr für sie gehofft und deine Berichte hier klangen auch gut...achmensch.

    Und ich ziehe alle meine Hüte vor dir für das, was du an einem einzigen Tag so durchgestanden hast! Bist schon große klasse!

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  3. Ach ihr sollt mich hier nicht bewundern ... neee nee, deshalb schreibe ich das noch nicht. Ich fand nur diesen Tag so bemerkenswert ätzend, dass ich es mir von der Seele schreiben mußte.
    Der kleine Hamsti ist Gestern ausgezogen und sein neues Zuhause ist toll. Er wird da sicher sehr lieb gehabt (vom Besitzer, seiner kleinen Schwester und der ganzen Familie). Da fiel es mir gar nicht mehr so schwer, ihn her zu geben. Bei uns im Schweinchengehege ist allerdings tote Hose, die ollen Muiger rühren sich kaum noch von der Stelle... fünf Schweinchen sind echt zuwenig.

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