27 Februar 2012

Damals wars - mal wieder


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Und wieder einmal ein paar Gedankengänge von mir zum Thema: "Schöne neue Datenwelt"

O Ton Kommentator bei einer Anti Atom Demo: „Es sind auch einige ältere Leute dabei, die Tschernobyl live erlebt haben“. Ich komme einfach nicht darüber hinweg, dass dieser Mensch das wirklich gesagt hat. Ich bin doch keine ältere Frau! Ja, ich war 16 als diese Tschernobyl Sache war, aber deshalb bin ich doch heute nicht alt!!!

Wie komme ich jetzt auf dieses Zitat, das mich seit dem verfolgt? Ganz einfach, durch ein Gespräch mit einem durchaus vernünftigem und mit 23 Jahren auch zu den erwachsenen Menschen zählendem jungen Mann. Dieser ist relativ frisch verliebt und mir fiel auf, dass ich auf seiner Facebookpinnwand sehr viele, meiner Ansicht nach sehr private, Nachrichten lesen kann, die zwischen ihm und seiner Freundin hin und her gehen. Nun bin ich keine enge Freundin von ihm, ich würde uns eher als Bekannte betiteln und ergo gehen mich seine Liebesschwüre nichts an. Ich machte ihn also darauf aufmerksam, dass die ganze Welt mitlesen kann, wenn er oder sie Dinge wie: „Hallo mein Zuckerpopo. Ich liebe dich &' will dich niemals verlieren“ an seine Pinnwand schreiben. Er hielt das aber für völlig normal und ich habe gelernt, dass die Grenzen für solche privaten Dinge noch tiefer liegen, als ich eh schon dachte.

Im Zuge des Gespräches erzählte ich ihm, dass wir natürlich früher kein Facebook hatten um uns Liebesschwüre zu posten. Wir haben uns unserer ewigen Liebe anhand von Briefen und Postkarten versichert. Während unserer ersten zwei Beziehungsjahre wohnten wir 130 km auseinander und sahen uns nur am Wochenende und in der Woche schrieben wir (naja, vor allem ich, seine Briefe füllen nur einen sehr dünnen Ordner, meine eine kleine Schublade) fleißig wöchentlich Briefpapier und Postkarten voll. Diese bewahrten wir natürlich auch auf und ich zog sie dann hervor. Der junge Mann war beeindruckt, wie viel Papier wir füllten. Er fand es schon schwer vorstellbar, dass wir uns keine Mails schicken konnten, weil ich zu Anfang unserer Beziehung keinen Computer hatte und Internet damals nur was für Computerfreaks mit Modem war. Als er dann aber sagte: „Aber ihr habt euch doch SMS geschickt?“ musste ich wirklich lachen. Als mein Mann und ich frisch verliebt waren, hatten nur sehr wenige Menschen ein Handy, diese waren groß, unhandlich, irre teuer und SMS gabs noch nicht.

Für diesen jungen Mann war ein Leben ohne Handy überhaupt nicht existent, er kennt nur ein Leben mit Handy, mit Computer, mit 30 Fernsehkanälen und was die DDR eigentlich genau war, ist unbekannt.

Nun sitze ich hier und warte, bald müssen sie ja wohl kommen, die Menschen mit den Kameras und Mikrophonen die mich interviewen und mir Geschichtsfragen stellen. Oder soll ich mich gleich in ein Museum setzen und davon berichten, wie das war, als wir Briefmarken nur bei der Post bekamen, ich auf einer elektrischen Schreibmaschine das 10 Fingersystem lernte, ich nur mit Film fotografieren konnte und man erst nach einer Woche sehen konnte ob die Aufnahmen was geworden sind, wenn ich meiner Mutter ein Foto meines Freundes zeigen wollte, mußte ich es ihr per Post schicken oder zu ihr fahren und wenn man jemanden nicht per Telefon erreichen konnte, weil er keins hat (was durchaus nicht selten vor kam, wir bekamen ja auch erst eins, als ich acht Jahre alt war), dann schickte man ein Telegramm!

Mir tun die jungen Leute mit ihrer digitalen Welt allerdings auch ein wenig leid. Sie smsn mailen, telefonieren stundenlang und sagen dabei wenig Wichtiges, weil sie sich nicht auf das Wichtige beschränken müssen und alles, was sie sagen verschwindet in der Datenwelt. Sie werden in ein paar Jahren keine Liebesbriefe hervor ziehen und wieder lesen können, sie werden die Fotos ihrer Freunde vermutlich auch nicht mehr anschauen können. Ich befürchte, sie werden wenig Spuren hinterlassen, obwohl sie doch so viel mehr kommunizieren.

1 Kommentar:

  1. Ja,ja, so ist das mit uns Dinosauriern!!
    Ich habe sogar noch auf einer mechanischen Schreibmaschine gelernt und erinnere mich gut daran, als meine Eltern den ersten Farbfernseher kauften. Erschreckend fand ich auch, als unsere Freunde in den Keller gingen und einen alten Plattenspieler rauskramten, um ihn den Kindern zu zeigen. Diese wussten nämlich nicht, was eine Schallplatte ist, und wie diese funktioniert :-)
    Aber Du hast recht. Wir werden auch in 20 Jahren noch unsere Briefe und Postkarten haben, während die Mails dann schon lange gelöscht sind.
    Liebe Grüße Tina

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